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Generalanzeiger Bonn Feulliton 23.03.2011
 

 

Markanter Spannungsbogen im Dialograum Sankt Helena

Von Christina zu Mecklenburg

Bonn. Der Einbruch der Abenddämmerung ist wohl der günstigste Zeitpunkt, um ein fesselndes Projekt des Bildhauers Klaus Hann in Augenschein zu nehmen. Gereizt und herausgefordert hat den 1967 in Lüneburg geborenen Künstlers zunächst die in Grundzügen kubistische Infrastruktur der seit einiger Zeit für Kunstaktionen zur Verfügung stehenden Kirche Sankt Helena.

 

Die klausurähnliche Abgeschiedenheit des allein durch obere Seitenwandfenster erleuchteten Interieurs beflügelt den Atelierhaus-Stipendiaten zu einem intuitiv geleiteten, schlussendlich pointiert analytischem Konzept. Ziel seiner komplexen Installation "Ab Ovo VIII" ist es, "die Potenz des Werdens" sowie "Energie im Raum" sichtbar zu machen.

Kennzeichnend des in sich geschlossenen Projektes ist ein markanter Spannungsbogen, der geometrische Formen, divergierende Materialien sowie plastische Dualitäten zu einem eindringlichen Geflecht verzahnt.

Herzstück des achtteiligen Werkensembles verkörpert die für Lebenskontinuität, Erneuerung und Umschwung stehende Metapher: Ei. Insgesamt 1 000 weiß schimmernde Naturprodukte beleben nunmehr, locker gebündelt zu vier Quadraten, den dunklen Steinestrich. Das schlichte, gleichwohl eindringliche Arrangement orientiert sich in seinem Grundverlauf an der Platzierung von ehemals vier Kirchenbankeinheiten; Dichte und Auflockerung der Objekte spiegeln das Phänomen Vereinzelung und Gruppengemeinschaft.

Dialograum Sankt Helena, Bornheimerstr. 130, Finissage, 2. April, 19 Uhr. Fr 16 bis 19 Uhr, Sa 12 bis 19 Uhr und nach Vereinbarung unter kreuzung-helena@t-online.de

Artikel vom 23.03.2011


 

 

Prof. Dr. Nils Büttner

 

Nachdenken über Raum

Überlegungen zu der Rauminstallation Spatium

 

Nah dem Bonner Beethovenplatz in einem kleinen Park liegt das Gärtnerhaus. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts wurde es im Auftrag der Kölner Kurfürsten für die Gärtner der Baumschule errichtet. Nicht von Zäunen sondern von sich selbst umfriedet, strahlt der Ort eine große Ruhe aus. Seine idyllische Lage und die für einen barocken Bau eher bescheidenen Proportionen lassen das Gärtnerhaus zum idealen Schauplatz für ein ästhetisches Experiment werden, das Klaus Hann speziell für diesen Ort konzipiert hat.

 

Die Versuchsanordnung nimmt die räumlichen Gegebenheiten auf. Um sie zu erschließen muss man das Gebäude umschreiten, an dessen Rückwand sich eine verschlossene Tür befindet. Die Läden des danebenliegenden Fensters sind geöffnet, doch bleibt der Blick nach Innen verwehrt, denn die Fensterleibung ist vermauert. Umrundet man nun das Gebäude fällt noch ein weiteres Fenster auf, dessen Läden allerdings verschlossen sind. Um einen Blick ins Innere zu erhalten, muss man das Gebäude betreten, dessen Eingang durch einen angesetzten modernen Glaspavillon erschlossen wird. Dort weist ein Plakat auf die Ausstellung und ihren Titel hin: Spatium. Im unterschied zu dem auf den Raum als konkreten Ort bezogenen Wort locus bezeichnet der lateinische Begriff spatium den Raum als Ausdehnung nach Länge und Breite, als Abstand, insbesondere der bestimmte, zwischen zwei Gegenständen gedachte Raum, etwa der zwischen den Buchstaben eines Textes. Darüber hinaus kann spatium auch eine Wegstrecke bezeichnen, etwa die Bahn bei Wettläufen, oder als metrisches oder rhetorisches Zeitmaß dienen.1 Diese Bedeutung klingt auch in der klassischen Wendung an »spatium animo dare«, »sich Zeit zur Überlegung gönnen«.2 Dem humanistisch gebildeten Besucher wird der Titel der Installation unmittelbar zu einer Aufforderung, sich im Betreten des Ausstellungsraumes die Zeit zu nehmen, über Zeit und Raum nachzudenken. Wer der klassischen Bildung ferner steht, wird durch den fremden Begriff auf eine seinem Alltag ferne Situation eingestimmt.

 

Man betritt einen etwa siebzig Quadratmeter großen Raum, der in ein diffuses aber helles Licht getaucht ist. Durch die geschlossenen Fensterläden dringt kein Licht. Die Scheiben sind hinter tranzluzentem Papier verborgen. In der gefühlten Mitte des Raumes befindet sich ein circa zwei mal zwei Meter großen, siebzig Zentimeter hoher Erdkubus. An der geweißten Rückwand, gleichsam im Dialog mit dem von fasrigen Pflanzenteilen durchzogenen Erdkubus, hängt in zwei Metern Höhe ein kleiner Kubus aus Parafin, der einen symmetrischen kleinen Hohlraum umschließt. Er hängt genau dort, wo sich auf der Rückseite des Gebäudes die verschlossene Tür befindet, ist auf eine Holzplatte montiert, die diese Tür von innen verschließt. Ein gleicher quadratischer Kubus hängt auch an der gegenüberliegenden Wand, durch die man den Raum betritt. An der links vom Eingang gelegenen Wand ist eine Vitrine eingebaut, in der sich mehr als Hundert ebenfalls quadratische Paraffinplättchen finden. Die wenigen Gegenstände, deren Material so vertraut wie in dieser Form fremd ist, erzeugen im gegebenen Raum eine Spannung, die sich unmittelbar auf den Besucher überträgt. Denn die Maße und Position der Objekte im Raum sind merklich auf diesen Ort abgestimmt.

Durch die gleichsam asketische künstlerische Intervention wird der gegebene Raum der sinnlichen Anschauung überantwortet. Erst indem er als ästhetischer Ort bewusst erlebt wird, kann er dem Sich-selbst-Bestimmen des subjektiven Ich dienen. Jenseits der ontologischen Totale des metrischen und physikalischen Raumes entsteht, vom Standpunkt der Konkretheit des erkennenden Subjekts aus betrachtet, die abstrakte Allgemeinheit des Außersichseins, die das eigene Ich fühlbar macht und zur Selbstreflexion anstiftet. Das augenscheinlich bewusste Gesetztsein der Dinge und ihr nicht unmittelbar erkennbarer Bezug zur konkreten Lokalität vermitteln im »da« und »dort« der Gegenstände einen zutiefst subjektiven Sinn. Die geformte Materie wird in ihrer Unbestimmtheit dem betrachtenden Ich zum Gegenüber. Über diese Begegnung und die zutiefst emotionale Betrachtung entsteht ein symbolischer Ort, der die Idee der Transzendenz anschaulich werden lässt. Es ist der Zusammenklang von geistigem und körperlichem Sein.

 

Der Erdkubus ist auf Menschenmaß bezogen. Von oben gesehen bietet er Platz für zwei Menschen. Er kann Bett sein, Grab oder Beet und verweist auf werden und vergehen, denn selbst im Absterben entwickelt die Natur die Potenz zur Möglichkeit des Fruchtbaren. In dieser Wechselbeziehung bleibt der Gegensatz von Endlichkeit und Unendlichkeit, von reeller Bestimmtheit und ideeller Unbestimmtheit als Summe der Potenz der Möglichkeiten lebendig. Diese Kette von Assoziationen wird durch die Gestalt des Raumes befördert, dessen Wände nicht ebenmäßig und glatt sind, sondern leichte Vorsprünge haben, die das sakrale Moment unterstreichen. Doch der Raumklang bringt zugleich auch eine gewisse Dissonanz mit sich, die dafür sorgt, dass die Installation bei aller Komplexität nicht hermetisch wirkt. Denn die Einfügung des kubischen Erdhaufens macht zugleich die ungleichen Proportionen des Raumes sichtbar, der entgegen dem ersten Eindruck nicht symmetrisch ist. Die Wand rechts vom Eingang läuft nämlich nicht im rechten Winkel auf die hintere Wand zu, die um etwa zwei Meter schmaler ist als die der Eingangsseite. So sehr man sich aber auch bemüht, das Gesehene intellektuell zu durchdringen oder sprachlich zu fassen, bleibt doch etwas an dieser Rauminstallation, das sich nicht auf die Ebene von Sprache und Schrift transportieren lässt. Jener Mehrwert nämlich, den die künstlerische Arbeit aus der spezifischen performativen Begegnung des Betrachters mit dem Material und dem Raum bezieht.

 

Einen vergleichbaren Raumklang erzielt Klaus Hann auch in einer für die Bonner St. Remigiuskirche entwickelten Installation. Dort hat er auf dem steinernen Boden des Kreuzgangs fünf Paraffinkuben vor den dort in die Wand eingelassenen Grabplatten positioniert (Foris I). Vier weitere Kuben sind im Inneren der Kirche um das Taufbecken angeordnet, wo sie die Endpunkte eines gleichseitigen imaginären Kreuzes zu markieren scheinen (Foris II). Die Kuben sind kleiner und lichter als die im Gärtnerhaus und genügen doch völlig, im sakralen Raum als ästhetischer Eingriff wirksam zu werden. Das gilt auch für den einzelnen, sehr hellen Kubus der auf dem Altar positioniert ist (Foris VI), und für drei weitere, ebenfalls kleine und einander ähnliche Paraffin-Objekte, die am Eingang zum Garten angeordnet sind, in dessen Mitte eine schöne schlichte Marienstatue steht (Foris III). Die Parafinkuben sind wie kleine Tore geformt, mit einer metallenen Füllung. Auch hier eröffnet der lateinische Titel der Arbeit Raum für weitere Assoziationen. Das lateinische Wörtchen Foris, das zusammen mit den Nummer eins bis vier den Arbeiten zum Titel gegeben ist, bedeutet substantivisch verstanden soviel wie Tür, als Adverb heißt des draußen oder auswärts. Unweigerlich wird man über den Titel wie über die sprechende Symbolik der Objekte und des Ortes an den Lebensweg als Vor- und Durchgang erinnert. Doch auch ohne diesen unmittelbar greifbaren Verweis entfalten die stillen kleinen Objekte im Zusammenklang mit dem sakralen Ort eine starke Wirkung. Sie ist zugleich als Ausweis der bemerkenswerten Qualität von Klaus Hanns Arbeit zu lesen ist. Mit Blick auf die Kunst der Gegenwart wird die Frage der Qualität oft mit dem Hinweis abgetan, dass diese doch nur im Auge des Betrachters liege. Doch tatsächlich lässt sich ein untrüglicher Hinweis auf die Qualität benennen: Gute Kunst lehrt einen, Dinge, die man zu kennen glaubte, mit anderen Augen sehen.

1 Cic. or. 193; Quint. inst. I, 5, 18.

2 Curt. I, 8, 48.

    

 

 

 

 

 

 


Prof.Dr. Gabriele Oberreuter
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Klaus Hann - SPATIUM
Ausstellung im Kurfürstlichen Gärtnerhaus
13. - 24. Juni 2010

Es ist eine besondere Aufgabe zeitgenössischer Kunst, an wesentliche Phänomene und Kategorien zu erinnern, die uns im materiellen Alltag verlorengehen, an zentraleEigenschaften oder Bestimmungen menschlichen Lebens:
daß Menschsein sich z.B. nicht in der Organisation und Befriedigung alltäglicher Bedürfnisse erschöpft, sondern daß die menschliche Existenz immer schon nach dem Bewußtsein geistiger, spiritueller Dimension strebt, sich in größeren Bezügen zu verorten sucht.
So wie es die Metapher anschaulich macht, mit den Füßen auf der Erde zu stehen, dort verwurzelt zu sein – und mit den Händen den Himmel, die Sterne zu berühren.

Du hast in dir den Himmel und die Erde, sagt Hildegard von Bingen. Oder Konfuzius: Wer Bäume pflanzt, wird den Himmel gewinnen.

Diesen Spannungsbogen, meine ich, hat Klaus Hann im Raum hier gestaltet:
Die ERDE, eins der 4 Elemente, hat der Bildhauer als Kubus, als Block, altarähnlich gestaltet und in den Raum, beherrschend gestellt.
Erde ist elementar, ist Grundlage unserer Nahrung, Basis, auf der wir stehen, in die wir uns verwurzelt fühlen.
Die quadratischen Blöcke aus Paraffin mit der quadratischen Ausspa­rung in der Mitte lenken unsere Aufmerksamkeit gleichsam durch sie hindurch auf ein ferneres Ziel. Die diaphane Qualität, die Licht­durch­lässigkeit gibt dem Zauber Ausdruck, der uns auch in mittelalterlichen Kirchen überfällt: der Sehnsucht nach etwas Übergeodnetem, nach einer höheren Qualität, die unserem Leben Sinn und Lichterfülltheit vermittelt. Die geschlossene, regelmäßige Form des Quadrats ist eine glücklich gewählte Gestalt für diesen Verweis.

 

Hans Arp


Weiß noch jemand
wo oben und unten ist?

Weiß noch jemand
was hell und was dunkel ist?

Immer seltener werden die Träumer.
Immer seltener wird es Tag und Nacht.

Liebkost den Veilchenboden
unter den Wolkenbaldachienen.

Folgt den inneren Sternen,
den Kernen der heiligen Nächte
und ihren lautlosen
Traumliedern.

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Aus der Kölnische Rundschau vom 21.06.2010 

Vorbereitung für neue keimende Fülle?


Der Alanus-Absolvent Klaus Hann stellt im Kurfürstlichen  Gärtnerhaus aus


HEIDRUN WIRTH, BONN.

Ein riesiger Kubus aus dunkelbrauner Blumenerde, in den Maßen genau auf die umgebende Architektur
abgestimmt, dominiert zur Zeit das Kurfürstliche Gärtnerhaus. Ob der halbhohe Kubus gerade "im Erdboden versinkt"
oder umgekehrt gerade aus den Tiefen aufsteigt, bleibt der Fantasie des Betrachters überlassen. Ebenso offen bleibt die
Frage, ob das Leben in der mit abgestorbenen Pflanzen gesättigten Erde gerade vergeht, oder ob es um die Vorbereitung
für neue keimende Fülle geht.
Auf jeden Fall sind es naturnahe Materialien, die den Künstler Klaus Hann, der von 2007 bis 2010 an der Alanus-Schule in
Alfter studiert hat, faszinieren. Erst auf den zweiten Blick wird man die kleinen transparenten Paraffinkuben wahrnehmen,
die hoch vis à vis an den Wänden hängen und den erdigen Kubus sozusagen als "geistige" Kraftelemente einrahmen.
Schwingungen, die davon ausstrahlend durch den Raum gehen, sind vorstellbar. Streng, geradezu konstruktiv ist der
Aufbau, genau kalkuliert sind die Maße, die Symmetrie und die Spannung der wenigen Exponate.
Intensiv war der handwerkliche Einsatz während des Entstehungsprozesses. Auch jetzt muss die oberste Schicht der
sorgfältig auf einem Holzgerüst aufgetragenen Erdschichten immer gleichmäßig befeuchtet werden - und da ist es schon
gut, dass - wie immer im Gärtnerhaus - der Künstler selbst die Wartung übernimmt. Aufwändig sind auch die 250 kleinen
Paraffinplatten in der Vitrine, die in Gießprozessen entstanden sind. Geduldsarbeit. Doch Geduld hat er, der Künstler, der
schon mit Straßenkindern in Johannesburg gearbeitet hat und der mit schwer erziehbaren Jugendlichen auf einem
Segelschiff war.
Seine sozialen Projekte sind ebenso beeindruckend wie seine künstlerische Arbeit, und vielleicht wächst auch bei ihm das
eine aus dem anderen, wie bei Gustav Rau (Arp-Museum), der als Kinder- und Tropenarzt so sehr nach Kunst lechzte,
dass er eine der schönsten Privatsammlungen der Welt aufbaute. Von Klaus Hann hängen derzeit auch einige
Paraffintafeln in der Ausstellung "Lichtweisen" im Kreuzgang St. Remigius.

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Aus dem Text des Generalanzeiger Bonn am 23.10.2010 von Christina zu Mecklenburg

... Klaus Hann hat ein spannungsintensives "Raumgefüge" entworfen dessen spartanisch gesetzte Gegenstände (monströser Basaltfindling, rot leuchtendes Tor, aktiviertes Metronom) virulente Inkubationszustände herauf beschwören. "Ab Ovo 1" komprimiert existenzielle, kosmische und gesellschaftspolitische Sprengstoffe. ...